26November
2019

Medellin, die Gondeln, die Comuna 13 und Proteste

Heute sind wir mit einer Gondelbahn gefahren. Sie verbindet die äußeren , in der Regel sehr armen Stadtteile mit der Innenstadt. Das ist ein geniales öffentliches Verkehrsmittel, das mittlerweile von vielen anderen lateinamerikanischen Städten übernommen wurde.

Die Städte wachsen ja unaufhörlich. Arme verlassen das Land und siedeln sich nah der großen Städte an. Zuerst entstehen Slums ohne Infrastruktur, ohne Strom und Abwasser und ohne Anbindung an die Stadt. Irgendwann sind diese illegalen Siedlungen (in Mexiko Ciudad Perdida, hier habe ich den Namen schon wieder vergessen) so groß, dass Straßen etc.gebaut werden. Na und diese Gondeln helfen, dass die Menschen von dort zur Arbeit in die Stadt kommen können. Es gibt mehrere Haltestellen, und man kann sich über der Stadt von einer Seite zur anderen bewegen.

Wir haben ein Kinderprojekt am anderen Ende der Stadt besucht in einer Hochhaus/Sozialbausiedlung. Die Kinder können nach der Schule kommen und werden dort von Frauen betreut, die mit ihnen Hausaufgaben machen und ihnen "Werte" beibringen. Viele der Kinder haben kein richtiges Zuhause, die Mütter sind Protituierte, die Väter missbrauchen die Töchter etc. Als wir da waren wurde den Kindern gerade auf spielerische Weise erklärt, dass sie sich nicht anfassen lassen und NEIN sagen sollen. Da in der Stadt überall Plalate zu dem Thema hängen, vermute ich, dass das ein größeres Problem hier ist.

Dann sind wir mit der Gondel über die Stadt zur Comuna 13 geschwebt. Die ist im Viertel San Javier und hat eine interessante Geschichte.

Bis 2002 war das auch so ein armer Stadtteil gewesen, den sich die verschiedenen Guerillagruppen (ELN, Farc u.a. ) untereinander aufgeteilt und terrorisiert hatten, da die Lage strategisch gut für Drogen/Waffenhandel etc. war.

Nach dem Tod von Pablo Escobar und der Auflösung des Medellin Kartells in den 1990ern hatten sich viele neue Terrororganisationen gegründet, die es unmöglich machten, aufs Land oder in Außenbezirke der Städte zu gelangen. San Javier gehörte auch zu den No go Bezirken.

2002 wollte Präsidet Uribe dem etwas entgegen setzten und ein Exempel statuieren und hat in einer Anti  Guerilla Aktion den Stadtteil aus der Luft und vom Boden aus mit Soldaten und Paramilitärs 3 Tage beschießen lassen. Es hat ganz viele Tote gegeben und ganz viele Menschen sind verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Jeder, der im Verdacht stand, mit der Guerilla zu kooperieren,  wurde verhaftet und/oder umgebracht und irgendwo im Bauschutt verscharrt.

Viele Menschen haben sich danach für die armen Viertel eingesetzt, Schulen wurden gegründet und im Viertel San Javier entstand die Comuna 13, eine kreative Bewegung aus Breakdance, HipHop und Graffiti. Mittlerweile gibt es Rolltreppen, Cafés und unglaublich tolle Wandmalereien (Murales) überall und es vibriert nur so vor Farben, kreativer Energie  und Lebensfreude. Jetzt kommen natürlich auch Touristen, um sich das Wunder anzusehen, und die bringen Geld. Andere Viertel wollen es der Comuna 13 nun gleich tun , und es entwickelt sich gerade ganz viel neues, kreatives in Medellin. Toll!

Als wir abends Essen gehen wollten, war die Straße voll mit protestierenden jungen Menschen. Ein junger Mann war seinen Verletzungen erlegen, die er sich durch eine Tränengaspatrone, die direkt auf ihn geschossen worden war, zugezogen hatte. 

Neuste Erkenntnisse: Ich hätte nie gedacht, das Kreativität so viel bewirken kann. Alle die Kunst, Tanz und Musik belächeln, sollte man nach Medellin schicken!

In Kolumbien gibt es eine Polizeieinheit  die ziemlich brutal ist, die heißt ESMAD. Die Demonstranten fordern immer wieder die Abschaffung dieser Einheit.